Jahreskreis-Qualität Wintersonnwende

24.11.23 08:08 PM By nicola.sophia

Über die Dunkelheit

Mich bewegt die Dunkelheit und ihre Qualität dieses Jahr ganz besonders im Kontext des Weltbildes der Kogi aus Kolumbien, mit denen ich mich zur Zeit intensiv beschäftige (große Buch-Empfehlung: Lucas Buchholz - Kogi. Wie ein Naturvolk unsere moderne Welt inspiriert).
Die Kogi ehren die Dunkelheit, sie ist es aus der alles Leben stammt:
„Jaba Sé und Jaba Aluna, die Mutter der Dunkelheit und die Mutter der Gedanken, teilen sich den Ursprung der Welt.“ (S. 186)
Jeden Abend treffen sich dort die Männer und die Frauen im Weltenhaus, in dem es immer dunkel ist, zum Gespräch, zum Geschichtenerzählen. Und die weisen Mamos und Sakas verbringen sogar mehrere Jahre ihres Lebens in völliger Dunkelheit, denn dort sind die „Mütter und Väter“ alles Lebendigen zuhause und dort lernen sie mit diesen zu kommunizieren.

In unserer Landschaft bringt uns der Winter jedes Jahr die Qualität der Dunkelheit und lädt uns ein, auch den in unserer Kultur oft weniger beachteten und geschätzten Pol zu leben und zu würdigen.
Die Dunkelheit öffnet Räume in uns, die wir im Licht weniger leicht betreten können:
"Im Weltenhaus verschwimmen die Welten, es gibt einen Raum dazwischen, Gespräch und Traum wechseln sich ab, Wachheit geht immer wieder in ein kurzes Dösen über. Was habe ich gerade gehört? Was geträumt? Das Bewusstsein gewährt dem Unterbewusstsein einen immer größeren Raum, indem die Kontrolle, die Anspannung und der Wunsch, irgendetwas zu tun, immer mehr schwindet. In der einfachen Anwesenheit entstehen Ideen, der Kreativität wird freien Lauf gelassen, und gute Gedanken kommen zum Vorschein [...] Die Wahrnehmungen und Empfindungen werden immer poröser. Alles scheint sich in der Weite tiefschwarzer Dunkelheit aufzulösen. Gedanken, Träume, Erinnerungen, Kategorien..." (S. 184)

Vielleicht hast du Lust, dich diesen Winter auf eine Entdeckungsreise in die Dunkelheit zu begeben. Wieviel elektrisches Licht brauchst du wirklich, wie wäre es ganz ohne? Welche Qualität hat der Abend, wenn nur der sanfte Schein von Kerzenlicht den Raum erhellt? Wie fühlt es sich an, draußen im Dunkeln unterwegs zu sein? Wie kommst du in Kontakt mit deinem Herzensraum?
Das Willkommenheißen der Dunkelheit öffnet auch den Raum für andere Aktivitäten: bei Kerzenschein Geschichten erzählen, Geschichten vom Tag, Geschichten aus der Kindheit, Geschichten von der Entstehung der Welt… Sich Spüren, Sein, Miteinander Sein…
Dank der Dunkelheit sehen wir Nachts den Sternenhimmel und die Weite des Universums am Himmel.
„Es scheint, als wäre die Geborgenheit kein Widerspruch zum Gefühl einer unglaublichen Weite, die durch die Dunkelheit entsteht.“ (S. 182)
Ich freue mich schon richtig auf die ganz dunkle Zeit!


Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,


indem sie glänzt

für irgend einen Kreis,
aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.

Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
wie sie's errafft, Menschen und Mächte -


Und es kann sein: eine große Kraft

rührt sich in meiner Nachbarschaft.


Ich glaube an Nächte.

(Rilke)

nicola.sophia